Kriegsdienstverweigerer und Militär
Neues Recht ab dem 1.7.2011
Neuregelungen für 17jährige Frauen und Männer
Mit dem Ende der Wehrpflicht am 30.6.2011 enden für Kriegsdienstverweigerer auch die bisher gekannten Routinen: Erfassung für die Wehrpflicht, Musterung, KDV-Antrag und Antragsprüfung durch eine Behörde, Verleihung oder Versagung des Grundrechts aus Kriegsdienstverweigerung.
Erfassung und Musterung gibt es nicht mehr. Ein formales KDV-Anerkennungsverfahren könnte nur durchlaufen, wer sich vorab freiwillig bei der Bundeswehr meldet und wegen seines ausdrücklich geäußerten Interesses an einem freiwilligen Wehrdienst auf seine Tauglichkeit für diesen untersucht worden ist.
Wer nichts mit dem Militär zu tun haben will und auch keine Bundeswehrwerbung geschickt bekommen möchte – das gilt für Frauen und Männer –, kann der Weitergabe ihrer oder seiner Daten einfach beim Einwohnermeldeamt widersprechen.
Absenderangabe, Datum
An das
Einwohnermeldeamt …
S.g.D.u.H.,
hiermit widerspreche ich nach § 18 Absatz 7 des Melderechtsrahmengesetzes der Weitergabe meiner Daten an das Bundesamt für Wehrverwaltung.
Mit freundlichen Grüßen
Unterschrift
|
Das Einwohnermeldeamt übermittelt zum 31. März eines Jahres die Daten (Namen und Anschrift) von den Frauen und Männern, die in dem Jahr 17 Jahre alt geworden sind oder noch werden. Wer die Datenweitergabe unterbinden will, muss also rechtzeitig tätig werden. Da es um Minderjährige geht, kann die Erklärung auch von Erziehungsberechtigten für ihre Kinder abgegeben werden.
Sollten die Daten schon übermittelt worden sein, kann jederzeit deren sofortige Löschung beim Bundesamt für Wehrverwaltung verlangt werden (Bundesamt für Wehrverwaltung, Ermekeilstraße 27, 53113 Bonn. Telefon: 0228/947-0, Fax: 0228/947-2101).
Absenderangabe, Datum
An das
Bundesamt für Wehrverwaltung
Ermekeilstraße 27
53113 Bonn
S.g.D.u.H.,
hiermit verlange ich die sofortige Löschung der über mich gespeicherten Daten nach § 58 Absatz 2 des Wehrpflichtgesetzes. Ich bitte um umgehende Bestätigung, dass die Daten gelöscht wurden.
Mit freundlichen Grüßen
Unterschrift
|
Die Daten werden aber spätestens ein Jahr nach der erstmaligen Speicherung beim Bundesamt für Wehrverwaltung automatisch gelöscht, also zum 31.3. des Jahres, in dem die Männer und Frauen 18 Jahre alt werden.
Die rechtlichen Grundlagen
§ 58 Wehrpflichtgesetz
(1) Zum Zwecke der Übersendung von Informationsmaterial nach Absatz 2 Satz 1 übermitteln die Meldebehörden dem Bundesamt für Wehrverwaltung jährlich zum 31. März folgende Daten zu Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit, die im nächsten Jahr volljährig werden: 1. Familienname, 2. Vornamen, 3. gegenwärtige Anschrift. Die Datenübermittlung unterbleibt, wenn die Betroffenen ihr nach § 18 Abs. 7 des Melderechtsrahmengesetzes widersprochen haben.
(2) Die erhobenen Daten dürfen nur zur Übersendung von Informationsmaterial über Tätigkeiten in den Streitkräften verwendet werden. Sie sind zu löschen, wenn die Betroffenen dies verlangen, spätestens jedoch nach Ablauf eines Jahres nach der erstmaligen Speicherung beim Bundesamt für Wehrverwaltung.
§ 18 Melderechtsrahmengesetz
(7) Eine Datenübermittlung nach § 58 Absatz 1 des Wehrpflichtgesetzes ist nur zulässig, soweit die betroffenen nicht widersprochen haben. Die Betroffenen sind auf ihr Widerspruchsrecht bei der Anmeldung und im Oktober eines jeden Jahres durch öffentliche Bekanntmachung hinzuweisen.
|
Neuregelungen für Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr
Die ersten sechs Dienstmonate bei der Bundeswehr gelten als Probezeit. In dieser Zeit können alle Soldatinnen und Soldaten das Dienstverhältnis jederzeit ohne Angabe von Gründen und mit sofortiger Wirkung kündigen. Wer Gewissensbedenken gegen den Dienst hat, kann natürlich ebenfalls von dem Kündigungsrecht Gebrauch machen, ohne die eigenen Bedenken darlegen zu müssen.
Freiwillig Wehrdienst Leistende sind auf ihren Antrag hin nach § 61 Absatz 2 Satz 3 Wehrpflichtgesetz sofort zu entlassen. ZeitsoldatInnen können ihre Verpflichtung einfach widerrufen.
Die rechtlichen Grundlagen
Für freiwillig Wehrdienst Leistende
§ 54 Wehrpflichtgesetz
(1) Frauen und Männer, die Deutsche im Sinne des Grundgesetzes sind, können sich verpflichten, freiwilligen Wehrdienst nach diesem Abschnitt zu leisten, sofern sie hierfür tauglich sind. Der Wehrdienst nach Satz 1 besteht aus sechs Monaten freiwilligem Wehrdienst als Probezeit und bis zu 17 Monaten anschließendem freiwilligem zusätzlichem Wehrdienst.
§ 61 Wehrpflichtgesetz
(2) Während der Probezeit des freiwilligen Wehrdienstes nach Abschnitt 7 des Wehrpflichtgesetzes kann die Soldatin oder der Soldat zum 15. Und zum Letzten eines Monats entlassen werden. Die Entlassungsverfügung ist ihr oder ihm spätestens zwei Wochen vor dem Entlassungstermin bekannt zu geben. Auf schriftlichen Antrag der Soldatin oder des Soldaten ist sie oder er während der Probezeit jederzeit zu entlassen.
Für Zeitsoldatinnen und Zeitsoldaten
Auszug aus einem Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung vom 28.6.2011, PSZ I 1 – Az 16-02-02/2:
"Wie sehen die Regelungen in den ersten sechs Monaten für Zeitsoldatinnen und Zeitsoldaten aus, die ab dem 1. Juli 2011 gelten?
Bewerberinnen und Bewerber für eine Berufung in das Dienstverhältnis einer Soldatin auf Zeit oder eines Soldat auf Zeit können ihre Verpflichtungserklärung unter dem Vorbehalt eines Widerrufs bis zum Ablauf des sechsten Monats ihrer Dienstzeit abgeben. Die Berufung in das Dienstverhältnis einer Soldatin auf Zeit oder eines Soldaten auf Zeit erfolgt nach dem Dienstantritt. Auch Bewerberinnen und Bewerber, die sich bereits auf der Grundlage des Wehrpflichtgesetzes oder des Vierten Abschnitts des Soldatengesetzes in einem Wehrdienstverhältnis befinden, können ihre Verpflichtungserklärung unter dem Vorbehalt eines Widerrufs bis zum Ablauf des sechsten Monats ihrer Dienstzeit abgeben. Der mögliche Widerrufszeitraum (Ablauf des sechsten Monats der Dienstzeit) verlängert sich dadurch allerdings nicht. Ist die Bewerbung erfolgreich, sind diese Soldatinnen oder Soldaten schnellstmöglich in das Dienstverhältnis einer Soldatin auf Zeit oder eines Soldaten auf Zeit zu berufen.
Die Dienstzeit ist stets zunächst auf sechs Monate festzusetzen. Die Besoldung erfolgt nach dem Bundesbesoldungsgesetz. Die Höhe der Besoldung richtet sich nach dem Dienstgrad und dem Lebensalter der Soldatin oder des Soldaten.
Bis zum Ablauf des sechsten Dienstmonats kann die Verpflichtungserklärung jederzeit und ohne Angabe von Gründen widerrufen werden.
Sind die Regelungen gesetzlich oder in Verordnungen niedergelegt oder ergeben sie sich aus Erlassen oder Weisungen?
Die Berufung in das Dienstverhältnis einer Soldatin auf Zeit oder eines Soldaten auf Zeit bei Abgabe einer widerruflichen Verpflichtungserklärung ist im Erlass „Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit bei Abgabe einer widerruflichen Verpflichtungserklärung“ geregelt (ZDv 14/5, B 127b)."
|
KDV-Recht für Soldatinnen und Soldaten,
die bereits länger als sechs Monate bei der Bundeswehr sind
Für Soldatinnen und Soldaten, die bereits länger als sechs Monate bei der Bundeswehr sind, gilt das bisherige KDV-Recht mit der Antragstellung beim Kreiswehrersatzamt und der Bearbeitung des Antrags in einem rein schriftlichen Anerkennungsverfahren beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben. Dem KDV-Antrag sind bei Einreichung zwei Unterlagen beizufügen, ein tabellarischer Lebenslauf und eine ausführliche persönliche Darlegung der Beweggründe, die zu der Gewissensentscheidung geführt haben, auch im Kriege keine Menschen umbringen zu dürfen.
Wird der KDV-Antrag von Zeit- oder BerufssoldatInnen gestellt, fordert das Kreiswehrersatzamt nach Antragseingang zwei weitere Unterlagen an, eine Stellungnahme der oder des Disziplinarvorgesetzen und eine Stellungnahme der personalbearbeitenden Dienststelle. (Bei freiwillig Wehrdienst Leistenden sind die Stellungnahmen nicht anzufordern.)
Weitere Details zum KDV-Verfahren und zum Umgang mit KriegsdienstverweigererInnen in der Truppe erhalten Sie hier, Hilfestellung bei der Formulierung des KDV-Antrags und der Begründung erhalten Sie hier.
Die rechtlichen Grundlagen
§ 2 Kriegsdienstverweigerungsgesetz
(2) Der Antrag ist von der Antragstellerin oder vom Antragsteller schriftlich oder zur Niederschrift beim Kreiswehrersatzamt zu stellen. Er muss die Berufung auf das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung im Sinne des Artikels 4 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes enthalten. Ein vollständiger tabellarischer Lebenslauf und eine persönliche ausführliche Darlegung der Beweggründe für die Gewissensentscheidung sind dem Antrag beizufügen … .
(6) Das Kreiswehrersatzamt bestätigt der Antragstellerin oder dem Antragsteller den Eingang des Antrags und leitet ihn mit der Personalakte (Grundakte) dem Bundesamt zu. … Bei Berufssoldatinnen und Berufssoldaten sowie bei Soldatinnen und Soldaten auf Zeit ist den Personalakten eine Stellungnahme der oder des Disziplinarvorgesetzten und der personalbearbeitenden Stelle beizufügen.
|
Entlassung aus der Bundeswehr nach der KDV-Anerkennung
Freiwillig Wehrdienst Leistende werden nach der Anerkennung als Kriegsdienstverweigerin oder Kriegsdienstverweigerer umgehend aus der Bundeswehr entlassen.
Zeit- und BerufssoldatInnen sollten sich vor der KDV-Antragstellung an sachkundige RechtsanwältInnen wenden. Auch sie werden nach der KDV-Anerkennung natürlich umgehend aus der Bundeswehr entlassen. Diese Entlassung gilt aber als „Entlassung auf eigenen Antrag“ und hat finanzielle Folgen (Verlust der Übergangsgebührnisse, Rückzahlung von Kosten für Ausbildungen, die zivil nutzbar sind, usw.). Eine genaue Abklärung dessen, was die KDV-Antragstellung auslösen kann, ist ratsam. Geeignete RechtsanwältInnen finden Sie hier.
Die rechtlichen Grundlagen
Für freiwillig Wehrdienst Leistende
§ 29 Wehrpflichtgesetz
(1) … Im Übrigen ist er zu entlassen, wenn ...
6. er als Kriegsdienstverweigerer anerkannt ist, …
Für Zeit- und BerufssoldatInnen
§ 46 Soldatengesetz
(2) Ein Berufssoldat ist zu entlassen, …
7. wenn er als Kriegsdienstverweigerer anerkannt ist; diese Entlassung gilt als Entlassung auf eigenen Antrag, …
§ 55 Soldatengesetz
(1) Für den Soldaten auf Zeit gilt § 46 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 sowie 7 und 8 entsprechend.
|
|